Newsletter Oktober 2019

Arbeitgeber/Arbeitnehmer

Berücksichtigung von Gehaltsnachzahlungen beim Elterngeld
Das Bundessozialgericht1 hat entschieden, dass nachgezahlter laufender Arbeitslohn, welchen der Elterngeldberechtigte
außerhalb der für die Bemessung des Elterngelds maßgeblichen zwölf Monate vor dem Monat der Geburt des Kinds erarbeitet hat, die Bemessungsgrundlage für das Elterngeld erhöhen kann. Entscheidend ist, dass
der nachgezahlte Arbeitslohn dem Elterngeldberechtigten innerhalb dieser zwölf Monate zugeflossen ist.
Der für die Berechnung des Elterngelds maßgebliche Zwölf-Monats-Zeitraum umfasste im entschiedenen Fall die
Monate Juli 2013 bis Juni 2014. Obwohl die Mutter des Kinds von ihrem Arbeitgeber im August 2013 noch eine
Gehaltsnachzahlung für Arbeiten erhielt, die sie im Juni 2013 erbracht hatte, ließ der Arbeitgeber diese Nachzahlung
bei der Bemessung des Elterngelds außen vor.
Zu Unrecht, wie das Bundessozialgericht entschied. Entscheidend war, dass der Betrag für Juni 2013 der Mutter
noch während des Bemessungszeitraums zugeflossen war.

Unternehmen
Abfärbewirkung gewerblicher Beteiligungseinkünfte einer Personengesellschaft
Erzielt eine Personengesellschaft neben nicht gewerblichen Einkünften auch originär gewerbliche Einkünfte oder
Einkünfte aus der Beteiligung an einer anderen gewerblichen Personengesellschaft, greift die sog. Abfärbewirkung.
Das heißt, ihre gesamten Einkünfte gelten als solche aus Gewerbebetrieb.
In dem vom Bundesfinanzhof3 entschiedenen Fall erzielte eine KG hauptsächlich Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen. Daneben erzielte sie aber auch geringfügige gewerbliche Einkünfte aus
Beteiligungen an anderen Personengesellschaften. In dem Fall, in dem eine Personengesellschaft nur geringfügige
originär gewerbliche Tätigkeiten ausführt, kommt es nicht zur Abfärbung. Die KG war der Ansicht, dass dies auch
für geringfügige gewerbliche Beteiligungseinkünfte gelten müsse.
Dem widersprach der Bundesfinanzhof. Er entschied, dass gewerbliche Beteiligungseinkünfte unabhängig von
ihrem Umfang immer zur Umqualifizierung nicht gewerblicher Einkünfte führen. Im Hinblick auf die Gewerbesteuer
sei die Abfärbewirkung aufgrund gewerblicher Beteiligungseinkünfte aber nur dann verfassungsgemäß,
wenn die infolge der Abfärbung gewerblichen Einkünfte nicht gewerbesteuerbar sind. Nur so werden Personengesellschaften
gegenüber Einzelunternehmern nicht schlechter gestellt.

Gewinn- oder umsatzabhängige Veräußerungsgewinne entstehen erst bei
Realisation des Veräußerungsentgelts

Veräußert eine Kapitalgesellschaft Anteile an einer anderen Kapitalgesellschaft, entsteht der Veräußerungsgewinn
grundsätzlich im Zeitpunkt der Veräußerung. Dies gilt unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort
fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich
zufließt. Der Veräußerungsgewinn ist damit regelmäßig stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu
ermitteln.
Bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen kann der Gewinn jedoch nicht auf den Veräußerungszeitpunkt
ermittelt werden, da er von der zukünftigen Ertrags– bzw. Umsatzentwicklung abhängig ist. In diesem
Fall ist auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen. D. h., der Veräußerungsgewinn entsteht Jahr für
Jahr im Zeitpunkt des Zuflusses des entsprechenden Entgelts.
Die vorgenannten Grundsätze gelten gleichermaßen im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht.

Mieter/Vermieter
Mietvertrag zwischen Lebensgefährten steuerlich nicht anzuerkennen

Ein Mietvertrag zwischen Lebensgefährten über die hälftige Nutzung der gemeinsam bewohnten Wohnung hält
einem Fremdvergleich nicht stand und ist steuerlich nicht anzuerkennen. So sieht es jedenfalls das Finanzgericht
Baden-Württemberg.
Die Eigentümerin einer Immobilie mit mehreren Wohnungen nutzte die im Obergeschoss befindliche Wohnung
gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten. Dieser überwies monatlich einen als Miete bezeichneten Betrag. Aus einer schriftlichen Vereinbarung ergab sich, dass die Mitbenutzung der Wohnung mit einem festen Betrag inklusive
Nebenkosten zu vergüten sei.
Aus der Vermietung dieser Wohnung erklärte die Überlassende einen Verlust, den das Finanzamt nicht berücksichtigte.
Das Finanzgericht hat sich dieser Meinung angeschlossen und festgestellt, dass das Mietverhältnis
keinem Fremdvergleich standhalte und somit steuerlich nicht anzuerkennen sei. Solche Mieteinnahmen seien als
nicht zu berücksichtigende Beiträge zur gemeinsamen Haushaltsführung anzusehen. Somit seien auch die damit
im Zusammenhang stehenden Aufwendungen für eine solche Wohnung nicht abzugsfähig.

Keine Mietminderung, wenn Mieter Mängelbeseitigung ablehnt
Weigert sich der Mieter, die Beseitigung von Mängeln durch den oder von ihm beauftragte Handwerker
zu dulden, ist er ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich zu keiner Mietminderung berechtigt.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs6 entfällt ein mögliches Zurückbehaltungsrecht in der Weise, dass
einbehaltene Beträge sofort zurückzuzahlen sind und von den ab diesem Zeitpunkt fälligen Mieten kein Einbehalt
mehr zulässig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter die Mängelbeseitigung unter Berufung auf einen
anhängigen Rechtsstreit über rückständige Miete im Rahmen eines Prozesses mit dem Rechtsvorgänger des
Vermieters verweigert, da er den mangelhaften Zustand aus Gründen der Beweissicherung erhalten will.

Verfahrensrecht

Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids durch Bescheid der
Denkmalschutzbehörde

Eheleute hatten in ihrer Einkommensteuererklärung zu Sonderabschreibungen führende Aufwendungen durch
Baumaßnahmen an einem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude nicht geltend gemacht. Die Einkommensteuerbescheide
wurden bestandskräftig. Bescheinigungen der Denkmalbehörde wurden erst nach Rechtskraft der
Einkommensteuerbescheide ausgestellt und dem Finanzamt mit dem Antrag auf Berücksichtigung der sich
dadurch ergebenden Sonderabschreibungsbeträge eingereicht. Das Finanzamt lehnte die nachträgliche Änderung
der Einkommensteuerbescheide ab.
Dagegen verpflichtete der Bundesfinanzhof7 das Finanzamt zur Änderung der Bescheide. Nach dem Urteil ist die
Bescheinigung der Denkmalbehörde ein Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung für den
Einkommensteuerbescheid. Er ist deshalb zu ändern

Einkommenssteuer

Erste Tätigkeitsstätte nach dem Reisekostenrecht
Nichtselbstständig Beschäftigte können beruflich veranlasste Fahrtkosten grundsätzlich in Höhe ihres tatsächlichen Aufwands oder pauschal mit 0,30 € je gefahrenen Kilometer als Werbungskosten abziehen. Für den Weg zwischen Wohnung und dem Arbeits- oder Dienstort („erste Tätigkeitsstätte“) besteht jedoch eine Ausnahme. Hier kann nur die Entfernungspauschale von 0,30 € je Entfernungskilometer steuermindernd geltend gemacht werden. Seit 2014 bestimmt sich die erste Tätigkeitsstätte anhand der arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Zuordnung durch den Arbeitgeber.9 Zuvor kam es auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers an.

Der Bundesfinanzhof10 hat in mehreren Urteilen klargestellt, dass der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit keine Rolle mehr spielt. Eine erste Tätigkeitsstätte kann nach dem ab 2014 geltenden Rechtsverständnis schon vorliegen, wenn der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat. Das können etwa Schreibarbeiten oder auch Dienstantrittsbesprechungen sein. Auch kommt ein
großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet als (großräumige) erste Tätigkeitsstätte in Betracht. Darunter können bspw. Flughäfen, Werksanlagen oder Bahnhöfe fallen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung hat der Bundesfinanzhof nicht.

Firmenwagenbesteuerung: Zuzahlungen des Arbeitnehmers können geldwerten
Vorteil mindern

Nutzungsentgelte und andere Zuzahlungen des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber für die private Nutzung eines
betrieblichen Fahrzeugs mindern den Wert des geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung. In Höhe der
Zuzahlungen fehlt es insoweit an einer Bereicherung des Arbeitnehmers. Ob der geldwerte Vorteil nach der
1 %-Regelung oder der Fahrtenbuchmethode ermittelt wird, ist ohne Bedeutung. Voraussetzung für die Kürzung
ist, dass der Arbeitnehmer die getragenen Kosten belegen kann.
Die Finanzverwaltung11 lässt die Kürzung der zu den Gesamtkosten des Fahrzeugs gehörenden Kosten zu. Dazu
gehören z. B. Treibstoffkosten, Wartungs- und Reparaturkosten, Kraftfahrzeugsteuer, Fahrzeugversicherungen und
Aufwendungen für die Wagenpflege. Nicht zu berücksichtigen sind u. a. Straßenbenutzungsgebühren,
Parkgebühren und Aufwendungen für Insassen- und Unfallversicherungen, weil sie nicht zu den Gesamtkosten des
Fahrzeugs gehören.
Das Finanzgericht Münster12 lässt eine Minderung des geldwerten Vorteils nur für solche vom Arbeitnehmer
getragenen Kosten zu, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen notwendig und zur Erfüllung einer
arbeitsvertraglichen Regelung erforderlich sind. Freiwillig übernommene Kosten gehörten nicht dazu.
Im Urteilsfall hatte ein Arbeitnehmer die auf eine Garage entfallenden anteiligen Kosten seines selbstbewohnten
Hauses vom geldwerten Vorteil mindern wollen, obwohl die Verpflichtung fehlte, den Dienstwagen in einer
Garage unterzustellen. Das Gericht versagte die Kürzung des Vorteils, weil es sich um eine freiwillige Leistung
gehandelt habe.

Keine Abzugsfähigkeit von Badrenovierungskosten als Aufwendungen für das
häusliche Arbeitszimmer

Bildet das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung,
können die Kosten dafür unbeschränkt steuermindernd geltend gemacht werden. Abzugsfähig sind diejenigen
Kosten, die direkt dem Arbeitszimmer zuordenbar sind, sowie anteilige Aufwendungen für das ganze Gebäude. Sie
sind nach dem entsprechenden Flächenverhältnis aufzuteilen.
Fallen dagegen Kosten für die Renovierung eines Raums an, der ausschließlich oder mehr als in nur untergeordnetem
Umfang privaten Wohnzwecken dient, wie beispielsweise das Bad, sind diese Kosten nicht abziehbar.
Das bestätigte der Bundesfinanzhof13. Nur allgemeine Gebäudekosten, wie etwa Gebäudeabschreibung,
Schuldzinsen oder eine Dachreparatur, sind aufzuteilen und anteilig abzugsfähig.

Anscheinsbeweis bei privater Pkw-Nutzung
In einem vom Niedersächsischen Finanzgericht14 entschiedenen Fall behauptete ein Steuerpflichtiger, er habe den
betrieblichen Pkw nicht für Privatfahrten genutzt. Privatfahrten seien ausschließlich mit einem zum Privatvermögen
gehörenden vergleichbaren Fahrzeug durchgeführt worden.
Da aber dieses Fahrzeug auch von der Ehefrau des Steuerpflichtigen genutzt wurde, bezweifelten die Richter, dass
das Privatfahrzeug dem Steuerpflichtigen zur uneingeschränkten privaten Nutzung ständig zur Verfügung stand.
Die aus der allgemeinen Lebenserfahrung abgeleitete Vermutung, dass ein betrieblicher Pkw auch zu privaten
Zwecken genutzt wird, kann nur durch Beweismittel (z. B. ordnungsgemäßes Fahrtenbuch) erschüttert werden.
Da der Beweis des ersten Anscheins der Privatnutzung des betrieblichen Fahrzeugs durch Gegenbeweis weder
entkräftet noch erschüttert wurde, muss der Steuerpflichtige die Versteuerung nach der 1 %-Regelung
akzeptieren.

Beteiligung eines Einzelunternehmers an einer Kapitalgesellschaft als
notwendiges Betriebsvermögen
Ist ein Einzelgewerbetreibender an einer Kapitalgesellschaft beteiligt und dient die Beteiligung dazu, den Absatz von Dienstleistungen des Einzelgewerbetreibenden zu fördern, gehört die Beteiligung zu seinem notwendigen
Betriebsvermögen. Erforderlich ist eine dauerhafte und intensive Geschäftsbeziehung zwischen Einzelunternehmen
und Beteiligungsgesellschaft. Eine ausgeschüttete Dividende führt dann nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen,
sondern ist den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Einzelunternehmers zuzurechnen.
Der Bundesfinanzhof15 hat entschieden, dass die Bedeutung der Beteiligung aus Sicht des Einzelunternehmens
(und nicht der Kapitalgesellschaft) zu beurteilen ist. Daher ist auch unerheblich, ob die Kapitalgesellschaft über
einen eigenen, vom Einzelunternehmen unabhängigen Geschäftsbetrieb verfügt. Maßgeblich für die Bewertung
der Bedeutung der Beteiligung ist nicht der Gewinn, sondern der aus der GmbH-Beteiligung resultierende Umsatz.
Im entschiedenen Fall waren ein Einzelunternehmer zu 100 % an der B-GmbH, und diese wiederum zu 100 % an
der A- und C-GmbH beteiligt. 99,9 % seines Umsatzes tätigte der Einzelunternehmer mit den drei Gesellschaften,
insbesondere mit der C-GmbH, für die er Werbeaufträge und Beratungsleistungen übernahm. Dass die dauerhaften
und intensiven Geschäftsbeziehungen überwiegend zur C-GmbH und nicht zur B-GmbH bestanden haben,
ist für die Einordnung als notwendiges Betriebsvermögen unerheblich, da die B-GmbH die C-GmbH beherrscht
hat.

Sonstiges
Entschädigung bei verspätetem Anschlussflug außerhalb der EU

Fluggäste haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Entschädigung bis zu 600 € gegen die
Fluglinie, wenn sich die Ankunft am Zielort um drei Stunden oder mehr verspätet. Das gilt für Flüge innerhalb, in
die und aus der Europäischen Union (EU).
Der Gerichtshof der Europäischen Union16 hat entschieden, dass der Anspruch auf Entschädigung auch bei einem
verspäteten Anschlussflug außerhalb der EU besteht. Voraussetzung ist, dass die Flüge in einer einzigen Buchung
gebucht wurden.
Im entschiedenen Fall hatte ein Fluggast bei einer tschechischen Fluglinie einen Flug von Prag nach Bangkok
gebucht, bei dem eine Zwischenlandung in Abu Dhabi vorgesehen war. Die tschechische Fluglinie absolvierte den
ersten Teilflug pünktlich. Den zweiten Teilflug von Abu Dhabi nach Bangkok führte Etihad Airways im Rahmen
einer Codesharing-Vereinbarung aus. Es kam zu einer verspäteten Ankunft in Bangkok von über acht Stunden.
Der Gerichtshof stellte fest, dass der Fluggast die tschechische Fluglinie auf die Ausgleichszahlung in Anspruch
nehmen kann. Diese kann nicht geltend machen, dass der zweite Teilflug außerhalb der EU stattfand und von einer
außereuropäischen Fluglinie durchgeführt wurde. Es steht ihr lediglich offen, Regress bei Etihad Airways zu
suchen.